Digitale Gesundheitsanwendungen (=DiGA) werden umfangreiche Funktionen bieten können. Einige dienen als eine Art Therapie-/ Krankheitsbegleiter für den Versicherten. In diesem Zuge lösen Sie gewissermaßen die herkömmlichen gesetzlich getrennten Versorgungsetappen / -Sektoren (Ambulanz, stationäre Behandlung, Entlass-Management) auf und sollten in jedem Stadium verordnet und eingesetzt werden können, um ihr volles Potential zum Nutzen der Versicherten entfalten zu können. Leider klammern die gesetzlichen Bestimmungen bislang aber eine Verordnungsmöglichkeit für Klinikärzte aus. Hier hat der Gesetzgeber die Regularien zu Hilfsmitteln übernommen.

Für Hilfsmittel ist es noch verständlich, dass diese nicht im Krankenhaus verordnet werden dürfen. Hier müssen die Krankenhäuser die Versorgung im Rahmen der Fallpauschalen („DRG“) abbilden. Die Versorgung mit (eigenen) Hilfsmitteln für den Patienten erfolgt nach der Hilfsmittel-Richtlinie grundsätzlich durch den Vertragsarzt (Hausarzt, Facharzt) und gerade nicht durch die Klinikärzte (§ 6a Absatz 3 Satz 3 Hilfsmittel-RL). Denn im Krankenhaus selbst erfolgt die Versorgung mit (Leih-)Hilfsmitteln und die Notwendigkeit für die Verordnung von eigenen Hilfsmitteln für den Patienten ist nicht gegeben. Diese Leih-Hilfsmittel können vielfach gereinigt, aufbereitet und dauerhaft genutzt werden. Das ist auf DiGA, die vornehmlich Smartphone-Apps sein werden, nicht übertragbar.

Klinikärzte dürfen Hilfsmittel nur im Rahmen des Entlass-Managements verordnen. Für DiGA hat der Gesetzgeber in den kürzlichen SGB-V-Novellen diese Regelungen übernommen und in § 39 Absatz 1a SGB V die Ergänzung eingefügt: „soweit dies für die Versorgung des Versicherten unmittelbar nach der Entlassung erforderlich ist, können die Krankenhäuser Leistungen nach § 33a […] verordnen. Damit ist klar, dass auch DiGA seitens der Krankenhausärzte nur im Wege des Entlass-Managements verordnet werden können.

Hier wird aber dadurch Chance vertan, dass volle Potential von DiGA auszuschöpfen. Gerade solche Anwendungen, die dem Patienten im Wege einer stationären Krankenhaustherapie nützen, können hier nicht von den therapierenden Ärzten verordnet werden und eine Zurverfügungstellung im Rahmen der DRG-Pauschale bietet sich aus Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten in aller Regel nicht an.

Das ist insbesondere vor dem Hintergrund verwunderlich, dass der Gesetzgeber doch erkannt hat, dass DiGA eine andere Qualifikation aufweisen als Hilfsmitteln und gerade auch in der laufenden Behandlung und Therapie eingesetzt werden können. Laut den gesetzlichen Definitionen bezwecken Hilfsmitteln die Sicherung des Behandlungserfolges (§ 33 SGB V) während DiGA in der Versorgung durch Leistungserbringer die Behandlung selbst unterstützen können (§ 33a SGB V).

Die DiGA-Hersteller werden nun nach Lösungen suchen, wie ihre Anwendung auch im Wege einer stationären Therapie an den Versicherten gebracht werden kann, wenn dies aus ärztlicher Sicht gewollt ist. Einen Weg stellt die Verordnung durch einen niedergelassenen (Haus-)Arzt im Wege der ambulanten Versorgung dar. Denn dies kann grundsätzlich im Vorhinein der stationären Krankenhaustherapie erfolgen.

In Betracht kommt daneben auch eine Verordnung durch den Hausarzt während des stationären Aufenthalts des Patienten im Krankenhaus, weil die DiGA gerade nicht von der stationären Versorgung umfasst ist. Anders ist die beispielsweise nur bei Arzneimitteln, weil davon ausgegangen wird, dass der Patient im Wege der stationären Versorgung voll umsorgt wird und eine parallele Verordnung durch den Hausarzt nicht notwendig ist.

Für die Hersteller ist es sinnvoll und effektiv, hier mit einem bestimmten Arzt zu kooperieren, welcher die jeweilige DiGA umfangreich kennt und entsprechend verordnen kann und will. Um die Versorgung auf diesem Wege flächendeckend zu gewährleisten, bietet sich ein Telemedizin-Modell an.

Jeder Vertragsarzt kann grundsätzlich im Rahmen einer telemedizinischen Behandlung über die Ferne als behandelnder Vertragsarzt seinem Patienten eine DiGA bei entsprechender Indikation verordnen. Die Verordnung erfolgt im Rahmen der Verordnungsfreiheit des Arztes und bemisst sich nur nach seiner therapeutischen Verantwortungsübernahm. Eine bestimmte Facharztqualifikation für die Verordnung bestimmter DiGA ist mit Blick auf die Therapiefreiheit bislang nicht geregelt. Analog zu der Rechtslage bei Hilfsmitteln ist dies auch nicht zu erwarten. Hier wird gemäß § 6 Absatz 1 Hilfsmittel-RL bloß allgemein auf die Eigenschaft als Vertragsarzt abgestellt.

Eine Kooperation des DiGA-Herstellers mit dem Telearzt ist aber nur unter dem strengen Berufsrecht möglich. Insbesondere darf die Unabhängigkeit des freiberuflichen Kooperationsarztes nicht durch die Zusammenarbeit beeinträchtigt werden. Auch darf der Arzt keine gewerbliche Tätigkeit ausüben und auch keine werblichen Aussagen zu dem DiGA-Unternehmen treffen. Er muss allein seinem Wissen und Gewissen für die Verordnung verhaftet sein. Hierauf ist bei der konkreten Gestaltung zu achten.

Daneben muss nicht nur die Beziehung zwischen dem DiGA-Hersteller und dem Telearzt rechtlich abgesichert werden, sondern auch die Beziehung des Telearztes zu dem Krankenhaus. Auch hier darf die Gestaltung nicht dazu führen, dass die Einbindung des Telearztes eine unzulässige Zuweisung an die Klinik mit sich bringen könnte.

Den Kliniken steht es dann mit Blick auf Therapiefreiheit grundsätzlich frei, auch auf die Daten der DiGA und die entsprechende laufende Nutzung durch den Patienten zurückzugreifen. Sie können also die Therapieansätze der DiGA und dessen therapeutischen Nutzen aufgreifen und einbeziehen. Freilich kommt hier keine weitere Abrechnungsposition in Betracht, da im Rahmen der stationären Therapie, wie bereits eingangs geschildert, mit pauschalisierten Fallbudgets gerabietet werden muss.

Soweit also der Wille der Krankenhäuser zur Einbindung einer DiGA besteht und auch aus therapeutischer Sicht die Zusammenarbeit angestrebt wird, kann bereist im Krankenhaus-Onboarding auf die App zurückgegriffen werden. Beispielsweise können bestimmte Schnittstellen zur Datenauswertung etabliert werden.

In diesem Kontext kann auch ein Austausch zwischen dem Krankenhaus und dem die DiGA verordnenden Arzt sinnvoll und zweckmäßig sein. Hier könnte beispielsweise eine Übergabe der Patientenakte in Betracht kommen oder ein Gespräch mit dem verordnenden Arzt. Dennoch stellen die neuen digitale Gesundheitsanwendungen eine Leistungsform dar, die nicht in das traditionell gewachsene Sektorenmodell der Deutschen Gesundheitswirtschaft passt. In der weiteren Regulation sollte daher nun darauf geachtet werden, dass die Sektoren nicht willkürlich auch in diese Leistungsform eingebracht werden. DiGAs sollten sektorenübergreifend eingesetzt, verordnet und erstattet werden.