Die Medical Device Regulation (MDR) kommt ebenso überraschend wie die DSGVO. Am 25. Mai 2020 gelten alle neuen teilweise strengeren Regelungen. Anders als bei der DSGVO hängt von der Konformität zu der MDR ab dem 25. Mai 2020 die Verkehrsfähigkeit der betroffenen Medizinprodukte ab. Alle Produkte, die zu diesem Zeitpunkt nicht den neuen Regularien entsprechen, dürfen grundsätzlich nicht mehr in den Verkehr gebracht werden. Das übersteigt die Dramatik der Neuregelungen durch die DSGVO erheblich.

Mit dem Corrigendum II zur MDR tut sich gerade eine letzte Chance auf, dem unvorbereiteten Untergang noch Hoffnung entgegen zu setzen. Durch diese bereits durch das EU-Parlament verabschiedete Ergänzung können Produkte, die bislang in Klasse I gefallen sind und nach der neuen MDR höherklassifiziert werden bzw. unter die neue Klasse Ir fallen, bis Mai 2024 in Verkehr gebracht und bis Mai 2025 bereitgestellt bzw. in Betrieb genommen werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die Produkte weiterhin der Richtlinie 93/42 EWG bzw. 90/385/EWG entsprechen und keine maßgebliche Änderung nach Artikel 120 Absatz 3 durchlaufen.

Nach den neuen Regelungen des Digitale Versorgung-Gesetz (DVG) können sich alle digitalen Medizinprodukte der Klasse I oder IIa für die Listung zur Erstattung durch alle gesetzlichen Krankenversicherungen qualifizieren. Gerade die neue Regel 11 der MDR wird dazu führen, dass viele digitale Gesundheitsanwendungen in die Klasse IIa rutschen. Für derartige Anwendungen bietet das Corrigendum II nun eine wertvolle Chance, sich noch mit überschaubarem Zertifizierungsaufwand das Geschäftsmodell einer kollektiven Erstattung zu sichern.

Aber die Zeit ist äußerst knapp. Auch eine Selbstzertifizierung der Klasse I nach MDD bedarf eines Qualitätsmanagements, und einer technischen Dokumentation inkl. klinischer Bewertung und kann nur mit ausreichend Vorlauf gelingen. Die Kapazitäten der unterstützenden Institutionen sind begrenzt. So hat das Institut für Qualität und Regulation digitaler Medizin (www.qur.digital) gerade verkündet, dass eine Begleitung einer MDD Klasse I Zertifizierung realistisch nur noch bis zum 31. Januar 2020 begonnen werden kann, um eine rechtzeitige Bearbeitung bis zum 25. Mai 2020 sicherstellen zu können. Ein späterer Versuch noch in die Übergangsregelung zu fallen wäre nicht seriös darstellbar.

Das Tor für die letzte Chance insbesondere digitaler Gesundheitsanwendungen, noch mit einem überschaubaren Aufwand die Verkehrsfähigkeit und auch die Möglichkeit der Erstattung zu erreichen schließt sich also in kürzester Zeit und es besteht dringender Handlungsbedarf bei den betroffenen Anbietern.

 

Sebastian Vorberg, LL.M. (Houston)
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht