Die Anwendung des Gendiagnostik-Gesetzes auf Lifestyle-DNA-Analysen
Mit der Modernisierung der Technik werden DNA-Analysen auch für den privaten Nutzer immer erschwinglicher und finden mehr und mehr Verbreitung. So gibt es im Netz viele Anbieter, die eine private DNA-Analyse anbieten. Damit kann der Kunde die Ermittlung der genetischen Herkunft (unter anderem „AncestryDNA“, „myheritage“ und „23andMe“) oder Tests für die Bereiche Sport, Lebensmittelverträglichkeit und Ernährung vornehmen lassen (unter anderem „Lykon“ oder „MY BODY DNA“).
Meist wird dem Kunden dazu ein Kit zur Abnahme einer Speichelprobe zugesendet. Die Ergebnisse aus der entsprechenden Analyse werden dann online einsehbar gemacht oder digital übermittelt.
Für viele Unternehmen und Behörden ist es oft unklar, für welche Angebote dieser Art welche Regularien greifen. Insbesondere stiftet die Frage Verwirrung, ob das Gendiagnostikgesetz („GenDG“) Anwendung finden muss, oder nicht. Daran bestimmt sich auch die Frage, ob die genetische Analyse einem Arztvorbehalt unterliegt (§ 7 GenDG) und ob der Anbieter eine ärztliche genetische Beratung anbieten muss, oder nicht (§ 10 GenDG).
Das GenDG regelt nach § 2 Abs. 1 GenDG die Durchführung genetischer Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und bestimmt dafür die Voraussetzungen für genetische Untersuchungen bei Menschen und für die im Rahmen dieser Untersuchungen durchgeführten genetischen Analysen sowie die Verwendung der genetischen Proben und Daten in Deutschland.
Die eingangs erwähnten Unternehmen grenzen sich jedoch meist ausdrücklich und bewusst von medizinischen Untersuchungszwecken ab. Diese Abgrenzung ist nicht nur ein formaler Umgehungsversuch, um die strengen Vorgaben des GenDG zu meiden, sondern, in den meisten Fällen, eine legitime und begründete Eingrenzung ihres Angebotes. Anerkanntermaßen sind medizinische Leistungen abzugrenzen von nicht-medizinischen Untersuchungen zu beispielsweise Fitness-, Lifestyle- oder Wellness-Zwecken.
In Anlehnung an § 3 des Medizinproduktegesetzes kommt es für das Vorliegen eines medizinischen Zwecks entscheidend darauf an, ob die DNA-Analyse zur Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten zu dienen bestimmt ist, oder gerade nicht. Liegt ein medizinscher Zweck vor, bedarf es richtigerweise einer medizinischen Legitimation des Angebotes, welche durch den Arztvorbehalt und das obligatorische Anbieten einer ärztlichen Beratung zur Geltung kommt.
Nicht-medizinische Tests kommen hingegen ohne diese Notwendigkeiten aus, da gerade kein medizinisch relevantes Ergebnis oder Risiko ermittelt und übermittelt wird. Diese Lifestyle-Tests müssen daher auch nicht reflexartig in den Anwendungsbereich des GenDG verortet werden.
Schaut man sich etwa das Beispiel „Lykon“ an, wird schnell klar, dass eine nähere Betrachtung des Angebotes oft dazu führt, dass gerade keine Untersuchung zu medizinischen Zwecken vorgenommen wird und daher auch der Regelungsbereich des GenDG keine Anwendung finden muss. So bietet „Lykon“ DNA-Tests zur Ermittlung des Stoffwecheltyps an, mit welchem in erster Linie ermittelt werden soll, welcher „Diättyp“ der Nutzer ist und mit welcher Ernährung er am besten seine Wunschfigur erreichen kann. Dieser Test und die ermittelten Ergebnisse dienen gerade nicht zur Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten, sondern zielen auf den privaten Bereich der allgemeinen Lebensführung im Hinblick auf die Figur-Optimierung.
Eine Schwelle zur Medizin ist erst dann überschritten, wenn ein solcher Test im Rahmen einer krankhaften Stoffwechselstörung oder dergleichen eingesetzt würde. Doch das ist gerade nicht von dem Angebot von „Lykon“ umfasst und muss daher in einem Arzt-Setting stattfinden, sodass die medizinische Legitimation in diesem Rahmen gewahrt bleibt.
Es zeigt sich also, dass im Bereich der DNA-Analyse für den privaten Endverbraucher durchaus ein Rahmen besteht, in welchem nicht-medizinische Leistungen angeboten werden, die eine Anwendung der GenDG-Vorschrift und eine ärztliche Legitimation mangels medizinisch Risikos gerade nicht bedingen. Entscheiden ist, ob der DNA-Test einen medizinischen Zweck verfolgt, also insbesondere zur Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten zu dienen bestimmt ist, oder gerade nicht. Ohne medizinische Zielrichtung des Angebotes fällt die Anwendung des GenDG umfassend weg.
Sebastian Vorberg, LL.M. (Houston)
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht