Begleitende Informationsanwendungen in der Arzneimitteltherapie
Das Jahr 2021 war von den Diskussionen um die digitalen Gesundheitsanwendungen geprägt. Auch die pharmazeutische Industrie setzt sich zunehmend mit der digitalen Medizin und den entsprechenden Anwendungen auseinander.
Dennoch sind die Beteiligungen der Industrie an digitalen Projekten noch vergleichsweise zurückhaltend. Häufig wird noch nach den klaren Vorteilen für das eigene Geschäft gesucht oder sogar die Notwendigkeit eines digitalen Engagements für die Arzneimittelversorgung gänzlich in Frage gestellt.
Das Zögern und die Orientierungslosigkeit zeugt von einem fehlgeleiteten Selbstverständnis für die Rolle der Industrie in der digitalen Medizin. Digitale Gesundheitsanwendungen sind keine Marketingtools, keine Arztgeschenke und auch kein Datenspielzeug. Digitale Gesundheitsanwendungen sind Medizin!
Nun muss nicht alles, was Medizin ist, auch gleich in das Geschäftsmodell eines Arzneimittelunternehmens passen. So wird insbesondere die Herstellung von Medizinprodukten oder andere Formen von Gesundheitsanwendungen den hierauf spezialisierten Unternehmen überlassen. Die pharmazeutische Industrie muss ja nicht auf jeden Zug aufspringen.
Dies könnte zu dem Missverständnis führen, dass Pharma vielleicht gar nichts mir der digitalen Medizin zu tun haben muss. Das ist ein Irrtum. Die digitalen Medizin ist anders als sonstige Medizinprodukte oder medizinische Hilfsmittel kein abtrennbarer Markt, für den es eine eigene Branchenidentität gibt. Digitale Medizin ist die unmittelbare Kommunikation mit dem Patienten und die Optimierung von Diagnosen und Therapien durch optimale Datenerfassung und Datenauswertung. Als solche ist diese Form der Medizin nicht starr und autonom. Die digitale Medizin ist überall da, wo auch der Patient ist. Der Standpunkt nichts mit der digitalen Medizin zu tun zu haben, wäre derselbe wie nichts mit dem Patienten zu tun zu haben.
Vergleichen lässt sich diese Erkenntnis mit dem Aggregatzustand: wenn alle bisherigen Formen der Medizin einen festen Zustand haben, ist die digitale Medizin flüssig und fließt in alle Lücken, um sich dann unmittelbar mit dem Patienten zu verbinden.
Im Ergebnis fließt die digitale Medizin somit auch rund um die Arzneimitteltherapie und ist untrennbar mit dieser und dem Patienten verbunden. Damit dürften auch die Fragen nach dem “Ob” und nach dem “Wie” im Rahmen der Arzneimitteltherapie leicht zu klären sein. Die pharmazeutische Industrie ist verantwortlich für die begleitende Informationsverarbeitung rund um die eigenen Arzneimittel. Keiner wird diesen Zwischenraum besser und effektiver füllen können als die Industrie. Beispielhaft lassen sich die folgenden grundlegenden Inhalte für eine digitalen Begleitung von Arzneimitteln aufführen:
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Hintergründe zu der Indikation des Arzneimittels.
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Hintergrund und Informationen zu der Erkrankung hinter dem Arzneimittel.
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Wirkstoff und Wirkweise des Arzneimittels.
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Kontraindikationen zu dem Arzneimittel. Vielleicht auch Fragebogen mit Auswertung hierzu.
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Besonderheiten dieses Arzneimittels zu anderen.
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Neben- und Wechselwirkungen des Arzneimittels, ggf. Fragebogen hierzu.
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Tagebuch für die Einnahme und die weiteren Patienteninformationen im Rahmen der Einnahme des Arzneimittels.
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Notfallrichtlinien und Ansprechpartner für besondere Vorfälle oder Krankheitsverläufe (Meldung von Nebenwirkungen).
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Digitaler Beipackzettel.
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Teilnahmemöglichkeit an Befragungen und Studien.
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ggf. Möglichkeiten, weiteren ärztlichen Rat (auch online) einzuholen.
Diese Liste ist bei weitem nicht abschließend und zeigt die Richtung auf, in die eine Arzneimitteltherapie digital denken und dann auch gehen muss.
Führt man diese Erkenntnis weiter, fällt sofort auf, dass auch die Vorteile dieses Engagements auf der Hand liegen. So kann eine legale unmittelbare Kommunikation zu dem Patienten gepflegt werden. Die Daten können zu Forschungs- und Entwicklungszwecken genutzt werden. Die Therapie rund um die Pille kann optimiert werden. Der Arzt kann eingebunden werden. Qualität kann gemessen und für einen klaren Marktvorteil genutzt werden. Der Zugang zu einer solchen begleitenden Informationsanwendung kann direkt über einen QR Code auf der Verpackung der Tabletten erfolgen.
Die jeweilige Medizin rund um die Arzneimitteltherapie digital zu umspülen ist die ethische Verantwortung der Industrie und außerdem ein Segen für das eigene Arzneimittelgeschäft. Eine klassische Win-win-Situation. Worauf warten?